Montag, 18. Oktober 2010

Einfach aus dem Bild radiert- Manipulation unserer Wahrnehmung

Auf Bilder reagiert der Mensch. Bewegte Bilder, also Filme lassen für die meisten Menschen die Wirklichkeit vergessen. Zwar wissen diese Menschen über die Möglichkeit zur Manipulation von Bildern, doch in ihrer Wahrnehmung ignorieren sie diesen Fakt so weit es geht. Anders ist es sich nicht zu erklären, daß beispielsweise Filme, in denen Autos durch ganze Häuserzeilen rasen, ohne daß die Autos auch nur einen Kratzer abbekommen, konsumiert werden. Dieses Phänomen betrifft aber keineswegs nur das Genre Action- Film.
Die meisten Menschen wollen offensichtlich betrogen werden, ihr Konsumverhalten beweist das.
Gefährlicher wird es allerdings, wenn vermeintliche solide Sendeformate (Nachrichtensendungen, Dokumentationen) aus manipuliertem Material bestehen.

Psychologisch betrachtet, glaubt der Mensch dem, was er mit "eigenen Augen" sieht. Das hat die Evolution so hervorgebracht. Doch hat das menschliche Bewußtsein (Wahrnehmung) sich nicht so schnell entwickelt, wie es die technische Entwicklung erfordert hätte. Fakt ist, daß die Photographie, im Film und sonstigen visuellen Darstellungen Trugbilder dargestellt werden können und diese dennoch in unserer subjektiven Wahrnehmung als objektive Erfahrungen verarbeitet werden. Schließlich hat man es mit den "eigenen Augen" gesehen und diese lügen bekanntlich nicht. Bilder entstehen nie wirklich neu in unseren Gehirnen. Die Informationen, die über die Sehorgane ins Gehirn gelangen, treffen dort auf bereits abgespeicherte Informationen. In unmerklicher Geschwindigkeit werden die neuen und alten greifbaren Informationen im Gehirn miteinander abgeglichen und als aktuelle Information zur "weiteren Verwendung" an die entsprechenden Hirnzentren geschickt.
Sehen wir das Foto eines weinenden Kindes, dann ist es im Prinzip egal, ob dieses Kind das Produkt einer reinen Fiktion darstellt. Der Anblick wird bestimmte Gefühle in uns auslösen. Hier könnte ich jetzt eine Unmenge an weiteren Beispielen anführen und dieses Thema noch weiter anschneiden. Doch das würde den Rahmen sprengen.
Beobachten sie die Menschen in ihrer Umgebung. Selbst die kritischsten und intelligentesten unter ihnen werden zwar allesamt behaupten, daß "im Fernsehen meist nur Mist gesendet wird" und man "dem Fernsehen keinen Glauben schenken sollte". Doch in ihren Erzählungen, in Gesprächen und in Diskussionen greifen sie auf die surrealen Erfahrungen, die sie dank des Mediums Fernsehen gemacht haben, nur allzu gern zurück.
Ein Widerspruch in sich. Und sei es nur, weil man mit den "eigenen Augen" das gesehen hat, was man sehen wollte. Getreu dem Motto aus der Zahlenwelt: Traue nur den Statistiken, von denen du auch weißt, wie sie entstanden sind. Nur wer kann das von den Fernsehsendungen behaupten?
Jedenfalls verfügen nur die wenigsten Menschen über entsprechendes Wissen und Vernunft, um die eigene Wahrnehmung mehr oder weniger kritisch beleuchten zu können. Aber kein Mensch verfügt über so viel Wissen (und Vernunft), daß er nicht ein Opfer von Manipulation werden könnte.

Nun wurde dieser Tage ein Computerprogramm vorgestellt, mit dessen Hilfe es noch einfacher und in "Echtzeit" möglich sein soll, Filme zu manipulieren.
Das heißt, wenn es zutrifft, was im Werbevideo behauptet wird, dann könnte man selbst in "Live- Sendungen" und ohne Vorbereitung im Bruchteil einer Sekunde eine "diminished reality" (verminderte, eingeschränkte Realität) herstellen. Also Dinge optisch verschwinden lassen oder sie eingeschränkt darstellen.
Das diese Technik noch nicht soweit entwickelt ist, wie dies von den Entwicklern behauptet wird, zeigt sich bereits in ihrem eigenen Werbevideo. Bei 00:35 min ist im rechten Bild kurzzeitig zu erkennen, was man im linken Bild sieht, aber im rechten Bild laut Werbebotschaft nicht sehen sollte.
Ich finde es auch ein wenig peinlich für die Entwickler, eine solche Bildsequenz für ein Werbevideo verwendet zu haben. Nur wird diese Technik weiterentwickelt und dadurch ausgereifter.
Das Missbrauchspotential, das in dieser Technik steckt, ist sehr groß. Spontan fallen mir einige Möglichkeiten ein. Von der Manipulation von Überwachungskameras bis hin zu schnöden Unterhaltungsfilmen. Und noch mehr.

Also immer schön die Welt mit den eigenen Augen betrachten, den Zweifel schärfen, die Überzeugungen an der kurzen Leine halten und die richtigen Fragen stellen. Solche, wie die nach dem cui bono...



besagtes Werbevideo der TU Ilmenau

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